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EDITORIAL
Liebe Tennisfreunde in
Berlin und Brandenburg,
Dr. Klaus-Peter Walter
in nicht ganz eigener Sache greift dieses Editorial ei- nach dem Motto, Tennis spielt man nicht, um Zeit
ne aktuelle Entwicklung auf, die in unseren Medi- zu sparen.
en vor keinem Text Halt macht. Ausgelöst von einer Zurück zum Editorial, fällt meine Anrede: Liebe Ten-
kleineren Gruppe öffentlichkeitswirksamer Engagier- nisfreunde … inzwischen aus der Zeit? Fast entschul-
ter, wird unsere Gesellschaft seit ein paar Jahren in digend muss ich wohl bald begründen, weshalb ich
Schrift und zunehmend auch Sprache auf unterstellte nicht auch Tennisfreundinnen anspreche. Arrogant
versteckte Geschlechterrollen sensibilisiert. Sie wer- könnte ich parieren und behaupten, meine Freundin-
den es erraten haben, unsere Ausdrucksformen wer- nen gingen keinen etwas an. Doch weshalb muss be-
den zurzeit kräftig durcheinandergewirbelt, verun- gründet werden, dass all die gemeint sind, die dem
sichern Schreibende, Leser, Hörer und komplizieren Tennissport freund sind? Von der Geschlechterrolle
selbst einfachste Sätze. Wollte man konsequent die unabhängig, füllen sie in diesem Moment eine tem-
Idee des sogenannten „Genderns“ befolgen, entstün- poräre Rolle als Leser aus.
den teilweise Satzungetüme, wie z. B.: mein / meine Denn frei nach Niklas Luhmann hat sich seit dem
Trainer / Trainerin hat engen Kontakt zum / zur Jugend- späten Mittelalter die Differenzierung von „Sein und
wart / Jugenwartin. Ausweichworte wie Studierende Sprache“ durchgesetzt, so dass eine Person nicht
statt Student sind inzwischen nahezu Standard, oh- durch eine einzige Rolle bestimmt wird, ja, dass sich
ne zu bemerken, dass jemand, der einen BVG-Plan Personen durch eine Vielzahl von Rollen auszeichnen.
‚studiert‘, unversehens als Studierender Anrecht auf Weshalb nun gerade nur die zwei der drei in Deutsch-
einen Studentenausweis erhalten müsste. Selbst In- land anerkannten Geschlechtervariationen bei jeder
stitutionen werden laut Co- Gelegenheit als vermeintliche Präzisierung hervorge-
vid-19-Schutzverordnung hoben werden sollen, bleibt letztlich unvollständig
mit einem biologischen Ge- und unklar.
schlecht belegt, wenn im Vielleicht haben Sie auch in den bisherigen Ausgaben
§ 21 von „Gewerblichen und von matchball bemerkt, dass wir uns sehr konsequent
öffentlichen Arbeitgeberin- an die Empfehlungen des Rats der deutschen Spra-
nen und Arbeitgebern“ ge- che halten. Mit den neuesten Empfehlungen vom 26.
sprochen wird. März 2021 erging dort unter anderem die dringen-
Diese moderne gesellschaft- de Forderung, dass Texte sachlich korrekt, verständ-
liche Dynamik erinnert mich lich und lesbar, auch vorlesbar sein sollen sowie für
an die Einführung des Match- die Lesenden und Hörenden die Möglichkeit zur Kon-
Tie-Breaks, die vor gut zehn zentration auf die wesentlichen Sachverhalte und
Jahren Petitionen und Frage- Kerninformationen sicherstellen sollen. Gerade für
bogenaktionen im TVBB aus- Heranwachsende sollte dieser Rat eine hohe Priori-
löste. Begonnen hatte es mit tät behalten, um sie von uferlosen Fehlerquellen zu
Niklas Luhmann (1927 - 1998): den professionellen Spielern der Bundesliga-Herren, entlasten.
Kommunikation fungiert als die die „Alternative Verfahrens- und Zählweisen“ der Sollte hingegen erkennbar sein, dass durch die
Synthese dreier Selektionen, als ITF-Regeln des Anhangs V Match-Tie-Break favorisier- sprachlichen Komplizierungen aus unseren 40 %
Einheit von Information, te. Vermutlich versprachen sich die Bundesliga-Her- weiblichen Tennisspielern im TVBB, deutlich mehr
Mitteilung und Verstehen…
ren eine Abkürzung der Spielzeit, um das Flugzeug Vorstandsanwärterinnen die Vereinsarbeit unterstüt-
zum nächsten Turnier noch erreichen zu können. Als zen würden (8 % Präsidentinnen führen unsere Verei-
Gipfel der Argumentationskunst empfand ich in den ne), entstünde für mich eine neue Lage. Bis auf Wi-
zuständigen Sportorganisationsgremien die Feststel- derruf werden Sie somit von mir nicht lesen: Liebe
lung, dass wenn die 120 Herren der Bundesliga so Tennisfreunde, liebe Tennisfreundinnen, liebe divers-
spielen, das Gebot der Einheitlichkeit es erforderte, geschlechtlichen Tennisfreunde?. Auch die neutrale
dass auch alle anderen 600.000 so spielen müssten. Variante, liebes Tennisfreundchen oder gleich in Eng-
Bekanntermaßen ist dieser Coup gelungen, zumal die lisch, dear Tennisfriends, werde ich meiden, sondern
meisten Funktionäre nicht zurückstehen wollten und werde kurz und knapp schreiben: Liebe Tennisfreun-
schon im vorauseilenden Gehorsam den Weg bahn- de in Berlin und Brandenburg!
ten, Matches kürzer zu machen. Die vermeintliche Ich wünsche uns allen eine pandemiefreie Som-
Zeitersparnis von ca. 15 Minuten im Entscheidungs- mersaison.
satz wird von gewieften Verbandsspielern locker Ihr Klaus-Peter Walter
durch die überlangen Einspielzeiten wettgemacht, Präsident des TVBB
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