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Editorial Ç
Die Schilder vor Umkleidekabinen
sind alle verschwunden
Dr. Klaus-Peter Walter
Liebe Tennisfreunde in Berlin und Brandenburg,
mit dem Start in die Sommersaison zeigt sich, wie zu- Der Tennissport bildet da keine Ausnahme und passt
kunftssicher die Vereine im TVBB die Lage unseres Sports sich den gesellschaftlichen und staatlichen Betreuungs-
einschätzen. War noch vor kurzem das Betreten der Um- anforderungen an. Reichte in meiner Jugendzeit noch der
kleideräume mit Schildern versehen – Zutritt für maximal elterliche Hinweis aus: Pass auf dich auf!, geht es heute
zwei Personen gleichzeitig – eröffnet der SCC Berlin ein offenbar nicht mehr ohne beschützende Institutionen.
neues mehrfunktionales Garderobenhaus. Im Erdgeschoss So hat der Deutsche Tennisbund DTB kürzlich eine „ex-
befinden sich Schließfächer, Duschen und Toiletten, im ers- terne Hinweisgeberstelle“ zum Schutz vor unethischem
ten Stock ein großzügiger Fitnessraum mit modernen Lauf- Verhalten und interpersonaler Gewalt eingerichtet. Aus-
und Muskelstählgeräten, die entweder Begeisterung oder löser waren Berichte über Dirk Hordorff, in dem ihm Me-
Beklemmung auslösen werden. Angedacht hat die Ver- dien „sexuelles Fehlverhalten“ in zwei Fällen in den Jahren
einsführung zudem, das Clubhaus im Laufe des Jahres voll- 2002 und 2003, vor seiner Zeit als DTB-Vizepräsident, öf-
ständig umzubauen und zu erweitern. fentlich wirksam vorgeworfen haben. Unabhängige Gut-
achter haben hingegen im Auftrag des DTB ermittelt, „dass
der Vorwurf eines Fehlverhaltens nicht mit Sicherheit nach-
gewiesen werden kann.“ Dirk Hordorff selbst bestreitet
die erhobenen Vorwürfe. Bereits seit Jahren hat sich der
Landessportbund Berlin mit dem Kinderschutzsiegel und
Präventionsinitiativen auf die als gesellschaftliches Pro-
blem bezeichnete Kindeswohlgefährdung und sexuali-
sierte Gewalt vorbereitet. Zu hoffen bleibt, dass durch die
Fitnessraum im neuen Ich schildere diese Ambitionen deshalb so ausführlich,
Gebäude des TC SCC
Foto: © TC SCC weil auch in anderen Clubs ehrgeizige Investitionen an-
stehen, die die Lebendigkeit der Tennisgemeinde unse-
rer Region erkennen lassen. Etwa beim TC Blau-Weiss Ber-
lin 1899 oder beim Grunewald TC liegen Pläne bereit, die
Vereinsanlagen mustergültig aufzuwerten und umfassend Der Landessportbund beschloss 2020 ein
zu gestalten. Diese Beispiele zeigen, dass nicht alle ge- Kinderschutzprogramm Foto: © Jürgen Engler
sellschaftlichen Bereiche darauf aus sind, staatliche An-
kündigungen abzuwarten und gesetzliche Vorgaben zu erhöhte Aufmerksamkeit aller Beteiligten diese neu ge-
erahnen. schaffenen Institutionen mit Augenmaß tatsächliches von
Denn recht gesehen vermitteln Nachrichtenmedien unterstelltem Fehlverhalten unterscheiden können und da-
den Eindruck, dass gesellschaftliches Engagement wohl nach beurteilen.
nur durch staatliche bzw. politische Maßgaben möglich Auf die Vereinsverantwortlichen kommt daher zu-
sei. Unterstellt wird unterschwellig, dass nur andere wissen, nächst eine umfassende Dokumentationspflicht zu, um auf
was für einen gut ist. Das umfassende Betreuungsangebot alle Fälle vorbereitet zu sein. Ob Bürokratie die Lösung ist,
fängt mitunter harmlos an, wie Alt-Bundespräsident Gauck bleibt wie auch woanders natürlich offen. Offen sollte aber
treffend den Versuch als betreutes Lesen kennzeichnete, auch Ihr Blick sein, damit Sie beim Training, im Umkleide-
„genderorientierte“ Schreib-, Les- und Sprechart in unse- raum und bei den Matches entschlossen Kindeswohl er-
ren Medien und staatlichen Stellen durchzusetzen. Be- möglichen. Ein Anliegen, dass uns im Tennissport im Blute
treut werden wir medienwirksam zudem, umfassende liegt. Einen aufmerksamen Saisonstart wünscht Ihnen
Zuschüsse zu den Energiekosten und zur Inflation durch
staatliche Geldverteilung zu fordern. Eigeninitiative scheint Ihr Klaus-Peter Walter
ein seltenes Gut geworden zu sein, wie auch der Versuch, Präsident des TVBB
sich selbstkritisch eine eigene Meinung zu erarbeiten.
matchball | 02-2023 3