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                                               Laura Siegemund:
            Laura Siegemund und Vera Zvonareva
                                               „Top 10 im Doppel wäre noch ein Ziel“
           verloren. Enttäuschend verlief das Turnier
           auch für Jule Niemeier, die bereits in der ers-  Sie galt vor gut 20 Jahren als ein Toptalent, das möglicherweise die Nachfolge von Steffi
           ten Qualifikationsrunde hängen blieb. Das   Graf hätte antreten können. Doch der Erwartungsdruck erwies sich als zu groß, sodass die
           gleiche Schicksal ereilte auch die Hamburg   heute 35jährige doch eine Zeit lang brauchte, um sich in der Weltspitze zu etablieren.
           European Open-Finalistin Noma Noha Aku-
           gue sowie Mona Barthel.             Die Rede ist von Laura Siegemund, momentan auf Rang 87 der Weltrangliste, die bereits mit
                                               drei Jahren durch ihre Eltern und insbesondere ihren älteren Bruder zum Tennis gekommen ist
             Aber  der  größte  Erfolg  ging  auf  das   und im Jahr 2000 als 12jährige durch den Turniersieg beim wichtigsten Jugendturnier in Florida,
           Konto von Laura Siegemund, die zusammen   dem Junior Orange Bowl, auf sich aufmerksam machte.
           mit ihrer langjährigen Partnerin Vera Zvo-  Kurz zuvor hatte Steffi Graf, die für Siegemund im Jugendalter als Vorbild galt, ihre Karriere
           nareva bis ins Doppelfinale vorstieß. Die   beendet und viele hofften, dass die in Filderstadt bei Stuttgart geborene Württembergerin spä-
           an Nummer zwölf gesetzte deutsch-russi-  ter mal in ihre Fußstapfen treten würde.
           sche Kombination rang im Viertelfinale nach   Doch die Karriere geriet in der Übergangszeit vom Juniorenalter zu den Erwachsenen ins
           über drei Stunden Victoria Azarenka und   Stocken. Erst einige Jahre später gelang es der unermüdlich auf dem Platz kämpfenden Rechts-
           Beatriz Haddad Maia (Belarus/Brasilien) mit   händerin mit der beidhändigen Rückhand, in der Weltspitze Fuß zu fassen. Dank ihres variablen
           5:7, 7:5, 6:4 nieder. Und im Halbfinale setz-  Spiels schaffte sie es 2016 bis auf Rang 27 der Weltrangliste vorzustoßen.
           ten sich die US Open-Siegerinnen von 2020   Zwischenzeitlich machte Siegemund beim Deutschen Tennis Bund den A-Trainer-Schein
           gegen Jennifer Brady/Luisa Stefani (USA/  und schloss anschließend ihr Psychologie-Studium ab. Für Furore sorgte sie besonders in den
           Brasilien) sicher mit 6:4 6:1 durch. Span-  Doppelkonkurrenzen. 2016 gelang ihr zusammen mit dem Kroaten Mate Pavic als ungesetztes
           nend verlief dann der erste Finalsatz gegen   Paar mit dem Mixed-Titel bei den US Open der erste Grand-Slam-Sieg. Im Einzel setzte sie sich in
           die in der Setzliste auf Position sechzehn ge-  diesem Jahr beim Porsche Grand Prix in Stuttgart mit Simona Halep (Rumänien), Roberta Vinci
           führten Erin Routliffe/Gabriela  Dabrowski   (Italien) und Agnieszka Radwanska aus Polen gegen drei Spielerinnen aus den Top 10 durch und
           (Neuseeland/Kanada). Dabei konnten Siege-  unterlag erst im Finale gegen Angelique Kerber. Ein Jahr später triumphierte sie in Stuttgart
           mund/Zvonareva zwei Satzbälle nicht ver-  nach Erfolgen gegen die Top-10-Spielerinnen Swetlana Kusnezowa (Russland), die Tschechin
           werten und gaben den Durchgang im Tie-  Karolina Pliskova und erneut Simona Halep im Finale gegen Kristina Mladenovic aus Frankreich.
           Break mit 9:11 ab. Satz zwei ging schließlich   Es folgte 2020 wiederum bei den US Open gemeinsam mit Vera Zvonareva aus Russland der
           mit 6:3 an Routliffe/Dabrowski. Die Finalteil-  Gesamterfolg im Doppel. „Diese drei Turniererfolge waren zweifellos die Highlights in meiner
           nahme brachte Siegemund und Zvonare-  Tenniskarriere“, sagt Siegemund. Dass sie nach wie vor ein Kämpferherz auszeichnet, stellte sie
           va eine Prämie von 350.000 $ sowie einen   vor einigen Wochen bei den bett1open in Berlin eindrucksvoll unter Beweis. Nach zwei Siegen in
           Sprung in der WTA-Doppelweltrangliste ein.   der Qualifikation unterlag sie in ihrem Hauptrunden-Auftaktmatch der Weltranglistennummer
             Ohne Erfolgserlebnis blieb der deutsche   44 Anna Blinkova nach über drei Stunden im dritten Satz. „Natürlich mag ich es nicht zu ver-
           Nachwuchs in den Einzelkonkurrenzen der   lieren, aber es war trotzdem ein gutes Match von mir“, meinte sie nach der ausgeglichenen Par-
           Juniorinnen- und Juniorenwettbewerbe. Bei   tie auf dem Rasenbelag. Eigentlich ist Rasen nicht ihr bevorzugter Untergrund.
           den Mädchen schied Sonja Zhiyenbayeva in   „Normalerweise spiele ich am liebsten auf Sand, fühle mich aber mit der Zeit auch auf Hard-
           Runde eins gegen die an elf gesetzte Rus-  court recht wohl“. Wie wohl sie sich fühlt, zeigte sie gerade in New York bei den US Open, denn
           sin Anastasiia Gureva in drei Sätzen aus. Und   nach drei überstandenen Qualifikationsrunden bot sie der späteren Turniersiegerin Coco Gauff
           auch bei den Jungen scheiterte zum Auftakt   (USA) drei Sätze lang Paroli und unterlag nur knapp. In Bezug auf ihre Stärken und Schwächen
           Lasse Pörtner gegen den an Position neun   führt sie den Aufschlag eher als Schwachpunkt an. In puncto Stärke sieht sie sich als mutige
           eingestuften Chinesen Yi Zhou mit 4:6, 3:6.  Spielerin. „Ich riskiere auch mal was.“ Nach ihrer Karriere möchte sie sich im Bereich Psychologie
                                               engagieren. „Ich kann mir vorstellen, später mal in der Sparte Sportpsychologie tätig zu wer-
                                               den“, so Siegemund.
                     Zusammenfassung: Michael Matthess
                    Fotos: Mathias Schulz - tennisphoto.de  Ein sportliches Ziel setzt sich die 35jährige aufgrund ihrer erfolgreichen Doppelvergangen-
                                               heit trotzdem noch für die kommende Zeit: „Ich würde gerne noch einen Platz unter den Top
                                               10 der Doppelweltrangliste erreichen“. Dieses Ziel hat sie jetzt bei den US Open fast schon er-
                                               reicht, denn mit ihrer langjährigen Partnerin Vera Zvonareva kam sie bis ins Finale. Dieser Er-
                                               folg beschert Siegemund einen Sprung auf Rang 12 in der Doppelweltrangliste. Der Weg zur ge-
                                               wünschten Top 10-Platzierung ist also in greifbare Nähe gerückt.
                                                                                  Michael Matthess, Foto: Claudio Gärtner-tennisphoto.de


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