Deutsche Vereinsmeisterschaften Herren 40
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Der SCC greift mit Nicolas Kiefer nach dem Titel
Schon vor der Saison ließ die Meldeliste des Tennis-Clubs SCC aus Berlin-Charlottenburg aufhorchen. Nicolas Kiefer (41), die ehemalige Nummer Vier der Welt und einer der besten Deutschen Tennisspieler der Neuzeit, Arnaud Clément (41) aus Frankreich, ehemalige Nummer 8 der Welt, Thomas Enqvist (45) aus Schweden, ehemalige Nummer 4 der Welt, Magnus Larsson (49) aus Schweden, ehemalige Nummer 10 der Welt und Björn Phau (39) aus Deutschland, ehemalige Nummer 55 der Welt und im letzten Jahr noch Bundesligaspieler bei den Herren bilden die Speerspitze des wohl nominell besten Teams, das je um den Deutschen Meistertitel gespielt hat..
Klingt nach einem Spaziergang...
"Mitnichten", weiß Nicolas Kiefer wovon er spricht. "Ich habe in den vergangenen zwei Jahren für den TC Ratingen zweimal versucht, den Titel zu holen, zweimal war das Team des TC BW Bohlsbach aus Rheinland-Pfalz stärker. Sie sind durchweg auf allen sechs Einzelpositionen extrem stark besetzt und haben sich nun noch einmal mit dem derzeitigen Top 100 ATP-Spieler (beste Platzierung 14) Ivo Karlovic und ATP-Doppel-Profi Frank Moser sowohl für das Einzel als auch für das Doppel enorm verstärkt. Wer an dem entscheidenden Tag nicht seine Top-Leistung abruft ist gegen diese Jungs vollkommen chancenlos."
Nicolas "Kiwi" Kiefer selbst musste sich im vergangenen Jahr Alexander Waske geschlagen geben, nachdem er vor zwei Jahren noch triumphieren konnte und ist nun im schwarz-weißen Outfit des SCC umso motivierter, die Bilanz beim vielleicht dritten Aufeinandertreffen positiv zu gestalten.
Kiwi dazu: "Bei meinem Ex-Verein TC Ratingen hat es zum Titel leider nicht ganz gereicht. Der SCC machte in den vergangenen Jahren schon einen tollen, mannschaftlich geschlossenen, sympathischen Eindruck. Als die beiden Verantwortlichen des Teams Philipp Fischer und Jens Thron Kontakt mit mir aufnahmen, hatte ich sofort den Eindruck, dass sich im SCC auch ein hochinteressantes Konzept verbirgt. Derr SCC ist ein aufstrebender Verein in der Hauptstadt, mit einer hervorragenden Struktur in der Jugend sowohl im Breiten- als auch im Spitzensport, die mich sowohl für die Herren 40 als auch für ihre Jugendarbeit gewinnen wollten. Ganz schnell waren wir auf einem sehr konstruktiven Niveau, das mich in allen Aspekten davon überzeugt hat, dieses Jahr alles daran setzen, mit diesem Team Deutscher Meister zu werden."
So ist Kiwi seit diesem Jahr nun auch für die erfolgreichste Jugend Berlin-Brandenburgs als Berater, Mentor und Coach tätig und verbindet das mit seinen Spielen im Herren 40-Team. "Es ist schon erstaunlich, wie die Jugendarbeit in diesem Verein funktioniert. Höchst professionell mit einem fein abgestimmten Fördersystem, leidenschaftlichen und hochqualifizierten Trainern und einem Jugendteam, das nicht nur talentiert ist, sondern auch darauf brennt, noch besser zu werden. Nicht von ungefähr sind die beiden SCC'er Benito Sanchez und Julia Zhu Deutscher Meister bzw. Deutsche Vizemeisterin geworden."
Doch zurück zu den Senioren: Die Vorrunde in der Regionalliga Nord-Ost ist beendet und der SCC holte sich souverän den Meistertitel. Wobei souverän noch leicht untertrieben ist. Es wurde in sechs Partien in insgesamt 36 Einzeln kein einziges Match abgegeben. Durchaus gut besetzte Gegner wie zum Beispiel Jade Wilhelmshaven blieben chancenlos.
Phau, Kiefer & Co. begeistern bei ihren Auftritten
Besonders beeindruckend war dann auch genau dieses Spiel vor heimischer SCC-Kulisse und einem ziemlich vollen Haus. Die Gegner hatten an den Positionen 1 und 2 durchaus hochkarätige Spieler aus Spanien und Tschechien aufgeboten, die auf Björn Phau und Nicolas Kiefer trafen. Doch die Neu-SCC'er, aber auch Enqvist, Larsson, Finnberg (Ex-ATP-Spieler) und Strauchmann (Ex-Bundesligaspieler) spielten an diesem Tag auf dem allerhöchsten Niveau und ließen die Zuschauer manchmal daran zweifeln, dass sie nicht mehr auf der aktuellen ATP-Tour spielen.
A propos Björn Phau. Mt seinen 1,75m nicht gerade perfekten Körpergröße war es schon in seiner aktiven Zeit eine Augenweide zu beobachten, wie er dies mit einer atemberaubenden Schnelligkiet, Technik und Antizipation wettmachen konnte. Dies scheint sich überhaupt nicht geändert zu haben. Björn wirkt auf dem Platz so fit und präsent wie eh und jeh und ließ bei seinen bisherigen zwei Einsätzen nur staunende Gesichter zurück; sowohl auf, als auch neben dem Platz. Er spielt deshalb auch im SCC-Team an Position 1 vor Kiefer, Clément, Enqvist und Larsson, wobei da sicher je nach Tagesform, Jeder den anderen schlagen kann.
Nicolas Kiefer hatte dagegen an Position Zwei mit Petr Kralert (Tschechien) den gefühlt noch schwereren Gegner. Beeindruckend jedoch, mit welcher Platzaufteilung, traumhaften Technik und Fitness Kiefer agierte. Trotzdem hielt Kralert sehr gut mit. So entstanden viele abwechslungsreiche, lange Ballwechsel. Am Ende setzte sich dann doch eindeutig Kiwis Klasse durch. Doch dies war schon ein erster Vorgeschmack für alle Zuschauer, was für eine schwere Aufgabe da im Spätsommer auf die SCC'er wartet.
Immer noch ATP-Niveau?
Gefragt zum Spielstärken-Vergleich zu den aktuellen ATP-Spielern um die Position 50 sagt dagegen Kiwi: "Ich denke, dass man da schon realistisch sein muss. Das Grundtempo von den Schlägen ist schon ähnlich. Da wir aber nicht mehr 10 Einheiten/Woche wie früher trainieren, merkt man doch schon, dass man ab und zu etwas langsamer in die Ecken kommt. Von der Fitness ganz zu schweigen. Aber wahrhaben will man das natürlich während eines Matches nicht immer.."
Björn sieht es noch extermer: "Ich bin einfach meilenweit entfernt von dem Fitness-Level der Jungs, die jetzt in den Top 50 stehen. Ich habe mit dem Profi-Sport vor 5 Jahren aufgehört. Das ist eine lange Zeit."
Tja und trotzdem sieht man die Jungs mit Enthusiasmus und Freude für ihr SCC-Team um Punkte kämpfen, als gäb's kein Morgen mehr. Und ein Team ist es auch, das da für die Charlottenburger an den Start geht. Nach den Heimspielen hörte man lautes Singen bis weit in die Nacht. Die Jungs von der Tour freuen sich dabei jedes Mal wie kleine Kinder, sich nach längerer Zeit wiederzusehen, während die sowieso schon zahlreich vorhandene "SCC-Base" jeden Herren 40-Heimspieltag zum Feiertag umfunktioniert hat. Eine Anekdote von früher reiht sich an die nächste. Ein Ende macht dem Ganzen dann eher die SCC-Gastronomie, die am nächsten Morgen um 8 Uhr wieder die Pforten öffnen muss.
Zur ebenjener "SCC-Base" zählen bereits länger die beiden "Super"-Schweden Thomas Enqvist und Magnus Larsson, die schon das dritte bzw. vierte Jahr für den SCC an den Start gehen. Eine besondere Tradition hat Magnus mit dem SCC. Kurz nach Ende seiner Profikarriere, im Jahr 2005, spielte er hier schon einmal, damals mit der Herren 30. Und damals so erfolgreich, dass er auf Anhieb mit dem Team den Deutschen Meistertitel bei den Herren 30 holte. Magnus: "Der SCC ist inzwischen mein zweites zuhause. Nicht nur mein Team, sondern viele Menschen im Verein sind mir sehr ans Herz gewachsen. Die vielen gemeinsamen Erlebnisse der letzten Jahre auf und neben dem Platz schweißen einfach zusammen. Ich bin zwar bei den Herren 40 NOCH nicht Deutscher Meister, aber unser Team ist mehr wert als jeder Titel. Trotzdem: Dieses Jahr holen wir uns das Ding. Versprochen!"
Final Four um die Deutsche Meisterschaft am 31.8./1.9. im SCC
Ein bisschen ins Grübeln kommen die Verantwortlichen Philipp Fischer (Team-Captain) und Jens Thron (Sportwart SCC), wenn es um die Austragung der Deutschen Meisterschaften geht. "So ganz für ein solches Event ist unsere zwar sehr schöne und große, aber nicht gerade mit Zuschauertribünen ausgestattete Anlage im Charlottenburger Eichkamp nicht", weiß Philipp Fischer. "Wir haben einige Ideen, wie wir die Bedürfnisse der erwarteten über 1.000 Besucher beim Zuschauen und Verköstigen befriedigen werden. Insofern freuen wir uns auf jeden Besucher. Ausverkauft gibt's bei uns sowieso nicht. Wir freuen uns über jeden Besucher, der uns an diesem Tag unterstützen kommt. Deswegen soll der Eintritt auch frei sein."
Sportlich wird es mehr als spannend. Schon beim Halbfinale am Samstag, den 31.8. ab 10 Uhr, wartet auf die SCC'er ganz sicher ein hochkarätiger Gegner. Ob es gegen das bayrische Team von (voraussichtlich) Iphitos München, dem TC Bredeney aus Nordrhein-Westfalen oder den amtierenden Deutschen Meister vom TC BW Bohlsbach gehen wird. Alle Teams rechnen sich Chancen aus, das große Finale am darauffolgenden Sonntag, 1.9. ab 10 Uhr zu erreichen. Vielleicht ist der SCC-Heimvorteil ein kleines Zünglein an der Waage.
"Kiwi" und sein Team sind jedenfalls heiß auf den Titel und wollen sich schon einige Tage vorher intensiv auf den Showdown vorbereiten. Vielleicht zeigen die Jungs dann doch an diesem einen Wochenende noch einmal ihr gesamtes ATP-Können aus den "erfahrenen" Körpern heraus und holen den ersehnten Titel in den SCC.
Jens Thron, TC SCC