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TVBB INTERN
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             Verlorene Plätze
              Der TC Berlin Mitte


              Albert Gutzmann


              hat das Kämpfen

              nicht verlernt













                                                                             Verschwundene Courts: Nur die Platzordnung ist geblieben

                          Seit 2016 ist der 2002 gegründete Tennisverein im   Die geographische Nachbarschaft des  Vereins zum zehn
                          sozialen Schnittpunkt Kreuzberg/Mitte im Dauer-  Jahre lang verfallenden DDR-Plattenbau der 13. POS (Poly-
                          clinch mit der Bezirkspolitik. Es ist zweifellos ein be-  technische Oberschule) und zur ebenfalls maroden  Well-
                                                                       blechturnhalle hatte die Bezirkspolitik wenig tangiert. Für
                          sonderer Tennisverein, von dem hier die Rede sein   den TCM dagegen war es wie im früheren Grenzgebiet zwi-
                          wird. Der  TC Berlin Mitte Albert Gutzmann (deut-  schen den beiden deutschen Staaten: Armut ist der beste
                          scher  Taubstummen-Lehrer 1837-1910), 2002 ge-  Denkmalschutz, es blieb manches erhalten, was sich ande-
                          gründet und in der Luisenstadt quasi auf der Grenze   re längst weggewünscht hatten. Der Verein trieb mit seinen
                                                                       eher bescheidenen Kräften 2001 den Bau einer 1,6 Millionen
                          zwischen Mitte und Kreuzberg nahe Engeldamm/Be-  Euro-Dreifelder-Tennishalle aus Fördergeldern (Mittes einzi-
                          thaniendamm, dem verdi-Gewerkschaftssitz, Hein-  ge Tennishalle) voran, die beim aktuellen matchball-Besuch
                          rich-Heine-Straße und Jannowitzbrücke gelegen,   im September 2022 immer noch sehr wohlfeil und bestens
                          gehört zu den wenigen Racket-Angeboten in dieser   beieinander für sich warb. Dass dieses Objekt, bei der Jour-
                          Metropolen-Gegend.                           nalistenvisite von fröhlichem Kinderlachen und emsigen
                                                                       Sporttreiben erfüllt, in der Vergangenheit mehrfach von der
                          Nach der Gründung zunächst skeptisch beargwöhnt, hat er   Lokalpolitik zum Abriss „empfohlen“ wurde und im Frühjahr
                          sich zum Anlaufziel für Tennis-Fans nicht nur aus unmittel-  2017 „aus Versehen“ drei Außenplätze in einer Planungsva-
                          barer Nachbarschaft, sondern aus allen Bezirken der Stadt   riante trotz Bestandsschutz „aus  Versehen“ verschwunden
                          entwickelt. 226 Mitglieder, davon 80 bis 90 Kinder und Ju-  und als Schulhof ausgewiesen, ist kaum nachzuvollziehen
                          gendliche aus 27 Nationen – so ist es in mehreren Kiezme-  und veranlasst Kopfschütteln. Gut so, dass es letztendlich
                          dien nachzulesen – „werten das Viertel auf, hier sind Kinder   nicht dazu kam, auch wenn der späte Umkehr-Ratschluss fast
                          auch am Wochenende sozial betreut, nehmen an Wettkämp-  eher dem Zufall denn logischem Denken geschuldet schien.
                          fen teil oder treffen sich mit ihren Freunden“. Ebenda trainie-  Immerhin, einige Bezirkspolitiker wie der Grünen-Abgeord-
                                                     ren Vorschulgruppen   nete Frank  Bertermann  (Vorsitzender des BVV-Stadtentwi-
                                                     benachbarter Kitas   cklungsausschusses und selbst tennisspielendes  TCM-Mit-
                                                     wie Studenten aus   glied) artikulierten sich klar gegen Forderungen der einstigen
                                                     der  Humboldt-Uni-  Senats-Baudirektorin Regula Lüscher an den Bezirk, den Miet-
                                                     versität. Die respek-  vertrag mit dem Verein zu kündigen. Sein Statement: „Der
                                                     tierte multikulturell   Aufgabe von Sportflächen muss das Abgeordnetenhaus laut
                                                     gute Arbeit im sozia-  Sportfördergesetz zustimmen. Das steht Frau Lüscher nicht
                                                     len Brennpunktgebiet   zu.“ Seit 2016 bereits läuft die Debatte darum, wie es auf dem
                                                     aber fand in der Poli-  Melchior-/Adalbertstraßen-Areal weitergehen soll.
                                                     tik meist nur unter-  Nach dem Nachwende-Schülerrückgang und dem später ein-
                                                     belichtete Beachtung   setzenden Wachstum im neuen Jahrhundert mit der 2017 in
                                                     und relativ  zurück-  Berlin schließlich verkündeten „Berliner Schulbau-Offensive“
                                                     haltende Hilfe bei   (BSO) entspann sich der durch diverse subjektive Einlassun-
                                                     den engagierten und   gen geschürte Interessenkonflikt, der die Existenzangst beim
           Manchem Lokalpolitiker ein Dorn im Auge: Der TC Berlin Mitte   kreativen Ansätzen   TCM wach hielt.
           Albert Gutzmann                           des TCM.
     74 74  matchball | November 2022                                                      Tennis-Verband Berlin-Brandenburg e.V.
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